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Vasilii Vasilevič Popov erklärt verschiedene Formen des Pferdesattels

„Bei archäologischen Ausgrabungen aus dem 15-18. Jh. findet man die Vorderteile von Pferdesätteln meistens in viereckiger Form – and hier ist ein Sattel in der Form eines Trapezes. Das ist damit zu erklären, dass sich vor allem im 18. Jahrhundert das Leben der Sacha stark mit der russischen Kultur vermischte. Russische Kosaken brachten den Jakuten bei, wie man Pferde für den Transport von Waren anspannt. Früher benutzten die Sacha das Pferd nur zum Reiten und zum Tragen von Lasten auf derem Rücken. Um schwere Lasten zu transportieren, schirrten sie Ochsen an. Nachdem die Russen kamen, nahmen sie – wie die Russen – stattdessen Pferde für diese Aufgabe. Im 18. Jahrhundert wurden dann viele neue Transportwege etwa zwischen Jakutsk nach Irkutsk und Ochotsk eröffnet. Für diese Routen zogen sie zu Tausenden jakutische Pferde ein. Natürlich musste sich jemand um die Pferde kümmern. Und das taten dann die Sacha und sie transportierten die Waren. Jedes Jahr, fast ein Jahrhundert lang, verließen mindestens 3000 bis 4000 Männer ihre Heimat, um Regierungsgüter zu transportieren. So arbeiteten sie vier bis fünf Monate lang unmittelbar mit russischem Pferdegeschirr. Russische Sättel, Pferdegeschirre usw. wurden zu täglichen Arbeitsmitteln. So begannen die Männer aus Sacha, den russischen Sattel als einen Männersattel zu betrachten. Und die alten trapezförmigen Sättel der Sacha, bevor sie ihre Form geändert hatten, bezeichnete man nun als Frauensattel. Das geschah im 19. Jahrhundert und bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Allgemeinen hielt man diesen Sattel hier für einen „Frauen“-Sattel. Aber auf einigen Fotos aus dem 19. Jahrhundert, wie auch auf diesem Sattel, den wir hier sehen, ist der Name des Besitzers ein Mann. Hier steht zum Beispiel ‚Egor Beloljubskii‘. Das heißt, dieser Sattel wurde von einem Mann benutzt.

Die Vorderseite des Sattels ist mit Zinn ausgekleidet und seine gesamte Oberfläche mit Zeichnungen bedeckt. Wenn man sich diese Zeichnungen genau anschaut, kann man eine deutliche Dominanz von Pflanzenmustern und Kringeln erkennen. Wenn wir diese Muster untersuchen, kann man sagen, dass dies der Einfluss der russischen Kultur ist. Diese Muster verbreiteten sich im 18. Jahrhundert, zusammen mit dem russischen Sattel, unter den Sacha. Davor verwendeten die Sacha hauptsächlich geometrische Muster: Wellen, Kammzähne, uraha-Dreiecke und Wirbelsäulenmuster. In den Eingravierungen auf der Zinnschicht sind Löwen- oder Einhornmuster recht häufig zu sehen. Sie stammen von den russischen Kosaken, genauer gesagt von den russischen Zaren und reichen Leuten, auf deren Sätteln solche Bilder zu sehen sind. Und Sacha beobachten gerne und behalten solche Muster in ihrem Gedächtnis, die sich dann in ihren Sattelverzierungen wiederfinden.

Ich meine, dass dieser Sattel in den 1830er Jahren hergestellt wurde. Wenn wir ihn ausstellen, sollten wir ihn als ‚jakutischen Pferdesattel des 19. Jahrhunderts‘ benennen, ohne anzugeben, ob es sich um einen Frauen- oder einen Männersattel handelt. Denn im 19. Jahrhundert sprach man über die traditionellen Sättel des Volkes der Sacha in der Regel als „Frauensattel“. Aber manchmal wurden einzelne Sättel mit tra- peлzförmiger Vorderseite, wie wir einen solchen hier sehen, auch von Männern benutzt.“ (Translation in progress)

Aufgezeichnet in Jakutsk, 2024.