Musée d‘ethnographie de l‘Université de Bordeaux
Anatol Donkan erzählt über weitere Hilfsgeister des Schamanen
„Man hat sich das hier wie einen Feldaltar vorzustellen. Vor die verschiedenen Figuren schamanischer Hilfsgeister legt man Schalen mit Essen und mit Holunderzweigen werden die Figuren geräuchert. Das dient als Schutz gegen alle möglichen Krankheiten. So schützt zum Beispiel eine Figur des Windes gegen Kopfschmerzen.
Aber diese Figuren hier sind ungewöhnlich. Sie wurden von einer Frau während des Krieges gemacht. Denn als der Zweite Weltkrieg ausbrach, wurden männliche Schamanen einfach erschossen oder in Lager geschickt, von wo sie nie wieder nach Hause zurückkehrten. Es war so, dass Nanaj zunächst vom Dienst in der Armee freigestellt wurden, wenn sie in Kolchosen arbeiteten und dort zunächst Fischfang und Jagd betrieben, wobei sie schließlich zu Bauern wurden. Dann wurden aber auch diese Männer an die Front geschickt und etwa 80 Prozent von ihnen kamen nicht wieder zurück, weil sie dort starben. Und so wollten die Frauen wissen, wo ihre Männer waren, denn die Post brauchte lange, wenn es sie überhaupt gab. Also baten sie den Vorsitzenden der Kolchose um Erlaubnis, ein wenig herumzubasteln. Und der Vorsitzende der Kolchose war zu dieser Zeit ein Nanaj und er sagte: ‚Gut, geht in den Wald und ihr könnt eure Rituale dort durchführen.‘
Und die Frauen gingen in den Wald und nahmen Sägen und Äxte mit. Sie fällten einen Baum und machten daraus Figuren und diese Figuren stellten sie auf den Altar. Sie fütterten die Figuren, streichelten sie, ließen sie rauchen, und jede von ihnen fragte: ‚Sag mir, hilf mir zu wissen, wo ist mein Mann jetzt ist?‘ Und so waren sie irgendwie beruhigt, dass sie wenigstens etwas unternahmen, weil sie so verwirrt waren. Einige Leute kamen dann von der Front zurück. Tumali und andere verwundete Soldaten kehrten als Invaliden heim. Und so sagten die Frauen zu ihnen: ‚Wir haben extra für euch schamanisiert, um herauszufinden, wo ihr seid.‘ Und die Soldaten sagten ihnen: ‚Ja, wir spürten, dass jemand von zuhause zu uns kam.‘ Einer von ihnen, der verwundete Tumali, wurde zum Schamanen und sagte: ‚An der Front kamen unsere Geister zu mir.‘ Nachdem er in das Dorf Kondon zurück- gekehrt war – so erzählten die Dorfbewohner – ging er einfach in den Wald. Und dann hörten sie Lieder, Lieder, die ungewöhnlich waren. Denn damals haben sie auch patriotische Lieder gesungen. Und wenn er aus dem Wald herauskam, war allen Leuten klar, dass er ein Schamane geworden war. Und die Leute riefen ihn nicht beim Namen, und sagten einfach: ‚Dort wohnt der Schamane.‘ Und das waren die Figuren, die dort vergessen worden sind. Als ich fragte, warum diese Figuren so einfach waren, sagten die Frauen, sie hätten es eilig gehabt, sie zu machen, damit sie mit dem Schamanisieren beginnen konnten.“ (Translation and video in progress)
Aufgezeichnet von Erich Kasten. Viechtach, 2024.