Musée d‘ethnographie de l‘Université de Bordeaux
Anatol Donkan erzählt über ein besticktes Gewand
„Das hier ist kein Schamanengewand, aber es ist sehr alt, wie mir die alte Frau erzählte, die es mir verkauft hatte. Auch hier hatte man Fischhaut verwendet. Sie haben Muster aus der Haut geschnitten, sie mit Leim befestigt und dann erst die Oberseite ausgekleidet. Unten ist überall Fischhaut. Es handelt sich hier um ein besonderes Gewand der Nanaj, das bei einer Hochzeit oder einer ähnlichen Feier getragen wurde. Es besitzt eine ungewöhnliche Nähtechnik – man nahm Stoff und klebte ausgeschnittene Muster aus Fischhaut darauf. Auf die Fischhaut werden dann die Ornamente mit Fäden aufgenäht, wie man hier sehen kann. Das Gewand hat aufgestickte Muster, aber bevor sie gestickt wurden, nahmen sie Fischhaut. Daraus schnitten sie das Ornament aus, befestigten es mit Klebstoff und überzogen es dann mit Seidenfäden. Sie schufen Vogel-, Fisch- und Drachenmuster aus der Fischhaut. Hier sieht man deren Kombination mit Seiden- und Baumwollfäden. Mit dem Alter haben sich die Fäden gelöst, und man kann die Fischhaut sehen. Auf der Rückseite sieht man einen sehr schönen Kranich, Kringel, Vögel und vier Bäume. Auf jedem Baum sitzen Vögel, unten ist ein Rentier und man kann auch Rehe und Eidechsen sehen.
Dieser Baum stellt einen Stammbaum dar. Das Gewand war eine Inspirationsquelle und man verwendete seine Motive auch anderweitig. Als die ersten Russen hierher kamen, waren sie überrascht, als sie solche Gewänder sahen und sie fragten: ‚Wo sind eure Höflinge, wo ist euer Zar?‘ Und die Einheimischen antworteten, dass es so etwas hier nicht gäbe und dass hier freie Menschen lebten, die täglich solche Kleidung trugen. Für die Neuankömmlinge war das seltsam und überraschend, weil solche Kleidung in so feiner Arbeit hergestellt wurde.
Später wurden die Techniken bei der Herstellung von Kleidung bei den Nanaj vereinfacht, und man begann andere Muster anzufertigen. Als schließlich die Sowjetmacht kam, interessierte sich niemand mehr für diese filigranen Muster, die man dann in der kommunistischen Zeit kaum noch sah. Damals sagten die "Kulturarbeiter", dass das nicht mehr relevant sei, und sie verlangten große Muster, um damit [besser sichtbar] auf der Bühne auftreten zu können. Daraufhin ging die Fähigkeit, solche Muster zu sticken, allmählich verloren. Das passiert, wenn eine Kul- tur beginnt, eine andere zu dominieren. Deshalb freuen wir uns, wenn die heutige Generation diese Muster nun wieder nachbildet.“ (Translation and video in progress)
Aufgezeichnet von Erich Kasten. Viechtach, 2024.